In einer Welt, die von Konflikten und Gegensätzen zerrissen scheint, stellt sich eine dringende Frage: Wie können wir Brücken bauen, um einander wieder näher zu kommen?
Diese Frage treibt mich an – beruflich und persönlich.
Kürzlich habe ich ein Konzept für einen Bildungsurlaub „Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz“ entwickelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Ansatzes und da die Arbeitswelt ein zentrales gesellschaftliches Handlungsfeld ist, schreibe ich diesen Blog darüber.
Wir leben in stürmischen Zeiten. Gesellschaftliche Spannungen eskalieren, politische Konflikte und die Klimakatastrophe machen Angst und die wirtschaftliche Situation weckt Unsicherheit. Diese Krisen wirken sich auch auf unsere Arbeitswelt aus. Wie können wir uns in dieser Situation gegenseitig stärken, um gut durch den Sturm zu kommen?
Diese Frage ist zentral für die Arbeit mit GFK: Sie zeigt, wie viel Veränderung möglich ist und genau das habe ich mit Teams erlebt, die ich über längere Zeiträume mit GFK-Training und Coaching begleitet habe. Der Zusammenhalt wird stärker als der raue Wind von außen oder oben. Mitarbeitende bekommen wieder Lust auf ihre Arbeit. Es werden gemeinsam Lösungen gefunden, wo es vorher hieß: „Da kann man ja nichts dran ändern.“ In einem Fall gab es sogar plötzlich mehr Bewerbungen als freie Stellen - trotz Fachkräftemangel. GFK ist wie ein Kompass in stürmischen Zeiten. Sie zeigt uns den Weg durch Konflikte und drum herum, hin zu sicheren Häfen – Orte, an denen Teams wieder zusammen finden, Organisationen wachsen und Gesellschaften neue Stärke gewinnen.
Die Vision von Marshall Rosenberg, dem Begründer der GFK, geht weit über die Arbeitswelt hinaus. Er sah in ihr das Potenzial, nicht nur Unternehmen, sondern ganze Gesellschaften zu verändern – hin zu Orten, die das Leben bereichernd, anstatt es auszubremsen oder unterdrücken. Er verknüpfte diesen Ansatz mit der Vorstellung von einer bedürfnisorientierten Unternehmenskultur, die darauf abzielt, sowohl wirtschaftliche Ziele als auch menschliches Wohlbefinden in Einklang zu bringen. GFK war für ihn der Schlüssel, um diese Vision schrittweise zu verwirklichen.
Marshall Rosenbergs Vision von lebensbereichernden Organisationen ist heute aktueller denn je. Jeden tag sehe ich, wie dieser Ansatz konkret in Unternehmen greift: weniger Konflikte, mehr Motivation und ein Fokus auf echte Lösungen!
Wie sich die konsequente Anwendung auch über die Unternehmensgrenzen hinaus auswirkt, habe ich im Folgenden zusammengefasst.
Arbeitsplatz: GFK schafft Raum, um Missverständnisse aufzulösen und Konflikte durch zu klären. Führungskräfte und Mitarbeitende lernen, einander zuzuhören, Bedürfnisse zu erkennen und konstruktive Lösungen zu finden.
Gesellschaft: Diese Praktiken fördern eine Kultur des Respekts, die über den Arbeitsplatz hinaus wirkt, indem sie sich in das private und öffentliche Leben der Menschen überträgt. Dadurch kann sich die gesellschaftliche Tendenz zu Polarisierung und Konfrontation verringern.
Arbeitsplatz: Durch GFK werden Stress und emotionale Belastungen reduziert, da Konflikte auf eine gesunde Weise bearbeitet werden und die Menschen lernen, die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Mitarbeitende, die die Erfahrung von Wertschätzung und gehört und gesehen werden machen, sind deutlich weniger gefährdet von Burnout und psychischen Erkrankungen betroffen zu werden.
Gesellschaft: Wenn Menschen durch Wertschätzung und authentische Begegnungen am Arbeitsplatz mental gestärkt werden, wirkt sich das auf uns alle aus: Weniger Krankheitsfälle, resistentere Wirtschaft und – am wichtigsten – eine Gesellschaft, in der die psychische Gesundheit ihrer Mitglieder endlich Priorität hat.
Arbeitsplatz: In der GFK werden unterschiedliche Perspektiven und Meinungen anerkannt. Es werden stattdessen die Bedürfnisse hinter den Positionen gesucht. Dann werden Strategien abgeleitet, die für alle passen. So unterstützt GFK interkulturelle und diverse Teams, indem sie die Kommunikation zwischen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen erleichtert. Vorurteile und Diskriminierung werden reduziert.
Gesellschaft: In einer polarisierten Gesellschaft – etwa bei Themen wie Migration, Klimapolitik oder sozialer Gerechtigkeit können so Gräben überwunden und Dialoge geführt werden, die auf Verstehen und Lösungen ausgerichtet sind. So gestalten wir eine Gesellschaft, die Gräben überwindet und Brücken baut, in der jeder Mensch zählt – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Weltanschauung. Eine Gesellschaft, in der Menschen füreinander einstehen.
Arbeitsplatz: Resilienz – die Fähigkeit Krisen zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen – spielt in der Arbeitswelt eine wichtige Rolle. GFK fördert eine Unternehmenskultur, die auf Nachhaltigkeit, Vertrauen, Wertschätzung, Selbstverantwortung und langfristige Zusammenarbeit baut.
Gesellschaft: Nachhaltige Unternehmen tragen zu einer resilienteren Wirtschaft bei, die soziale und ökologische Verantwortung verbindet.
Arbeitsplatz: GFK fördert gegenseitiges Zuhören, Respekt und Beteiligung. Dadurch werden flache Hierarchien und offene Kommunikation ermöglicht. Mitarbeiter werden in Entscheidungsprozesse einbezogen, was zu mehr Zufriedenheit und Engagement führt.
Gesellschaft: Auch gesellschaftliche Debatten können auf diese wertschätzende Weise geführt und Konflikte vermieden werden. Diese demokratischen Prinzipien fördern ein breiteres gesellschaftliches Verständnis von Partizipation und Mitbestimmung.
In einer Welt voller Spannungen und Herausforderungen bietet die Gewaltfreie Kommunikation weit mehr als nur eine Methode zur Konfliktlösung am Arbeitsplatz. Sie ist ein gesellschaftspolitisches Werkzeug, das Brücken baut – zwischen Menschen, Meinungen und Bedürfnissen.
Indem wir lernen, einander zuzuhören, Vielfalt anzunehmen und gemeinsam Lösungen zu finden, schaffen wir nicht nur resilientere Unternehmen, sondern legen auch den Grundstein für eine respektvollere, inklusivere und nachhaltigere Gesellschaft.
Die Frage ist nicht, ob wir uns das leisten können – sondern, ob wir es uns leisten können, weiterhin Konflikte, Spaltungen und Missverständnisse hinzunehmen. Jede:r Einzelne von uns kann einen Unterscheid machen.
Wann machst du den ersten Schritt?
Buchempfehlungen zu dem Thema:
Marshall B. Rosenberg: Die Sprache des Friedens sprechen – in einer konfliktreichen Welt
Marshall B. Rosenberg: Das Herz gesellschaftlicher Veränderung. Wie Sie Ihre Welt entscheidend umgestalten können